Gerade findet die Buchmesse in Frankfurt statt und mein Handy wird mit Fotos geflutet. Jedes einzelne spricht von der Liebe zum Lesen. Und ich frage mich: Wie kann das sein? Die vorherrschende Meinung ist doch, dass weniger gelesen wird. Die Lesekompetenz ist Deutschland sinkt und sinkt.
Überall wird davon geredet, dass die Lesekompetenz schlechter wird, dass viele Erwachsene nicht mehr in der Lage sind, längere Texte zu lesen, dass die jungen Leute nur noch am Handy scrollen. Wie lässt sich das mit den Bildern von der Buchmesse vereinen?
Oder ist es wirklich so, dass das Buch nur noch ein Statussymbol ist? Geht es nur noch um Buchschnitt und hübsches Cover? Ist der Inhalt egal? Ich habe mir heute jemanden für ein kleines Interview eingeladen. Jemanden, der an der Quelle sitzt und es ganz genau wissen muss. Das Buch!
Ein Gespräch über Lesekompetenz, Bestseller-Aufkleber und das Überleben zwischen Buchrücken und Bildschirmzeit.
Heike: Hallo, liebes Buch. Schön, dass du heute Zeit hast.
Buch: Zeit hab ich genug, glaub mir. Ich sitze seit drei Wochen unberührt auf dem Tisch. Immerhin hab ich jetzt mal Gesellschaft, wenn auch nicht in Form eines Lesers, sondern eines Interviews. Aber hey, man nimmt, was man kriegen kann.
Heike: Dann steigen wir gleich ein. Sag mal, wie geht’s dir als Buch im Jahr 2025 eigentlich so?
Buch: Sagen wir … „leicht angestaubt, aber mit Haltung“. Ich hab schon bessere Zeiten erlebt. Früher war ich Mittelpunkt von Gesprächen, wurde weiterempfohlen und verliehen. Heute bin ich froh, wenn mich jemand nicht für ein Deko-Objekt mit Vintage-Charme hält.
Heike: Autsch.
Buch: Tja. Lesen ist keine Selbstverständlichkeit mehr. Die PISA-Studie hat gezeigt, dass ein Viertel der 15-Jährigen nicht richtig lesen kann. Das ist nicht nur traurig, das ist, als würde man sagen: „Ich hab ein Fahrrad, aber treten mag ich nicht.“ Und bei den Erwachsenen sieht’s auch nicht besser aus: Jeder Fünfte versteht einfache Texte nicht richtig. Ich meine, das ist, als würde man mich kaufen und nie aufschlagen. Oh Moment… das passiert ja ständig.
Heike: Du bist also frustriert?
Buch: Nein, nur… leicht geknickt. Und das meine ich wörtlich. Ich war neulich in einer Handtasche ohne Buchhülle.
Heike: Es gibt aber auch Buchhandlungen, die kämpfen für dich. Eine hat vor Kurzem alle Bestseller-Aufkleber entfernt. Das hat im Netz für ordentlich Wirbel gesorgt.
Buch: Oh ja, das hab ich mitbekommen! Endlich traut sich mal jemand! Diese Aufkleber: Als wäre ich nur dann lesenswert, wenn ich auf einer Liste stehe. Ich sag’s dir: „Bestseller“ ist wie ein Glitzerfilter. Nur Ablenkung von dem, was wirklich zählt. Und jetzt kommt das Beste: Viele Kunden haben tatsächlich gefragt: „Wie soll ich denn jetzt wissen, was gut ist?“ Ich sag’s mal so: Vielleicht, indem man mal reinliest? Ich hab gehört, das soll helfen.
Heike: Du bist ganz schön direkt.
Buch: Mit knapp 300 Seiten ohne Leser darf man das sein.
Heike: Wie siehst du die Rolle der Buchhandlungen in all dem?
Buch: Ach, Buchhandlungen sind mein Zuhause, mein Wohlfühlort. Wenn ich da im Schaufenster liege, bin ich fast ein Star. Aber – und jetzt kommt das große Aber – viele Buchhandlungen verschwinden. Rund 100 Buchhandlungen schließen jedes Jahr in Deutschland, während nur etwa 40 neue eröffnen.
Dabei brauchen wir diese Orte! Wo sonst erklärt einem jemand mit Herzblut, warum dieses Buch genau heute zu einem passt? Kein Algorithmus kann das ersetzen. Der stationäre Handel macht immerhin noch über 40 % des Branchenumsatzes aus. Also: Mein Zuhause ist noch da, das Publikum wird aber weniger.
Heike: Und was wäre dein Wunsch für die Zukunft?
Buch: Ich wünsche mir, dass Menschen mich nicht als Arbeit, sondern als Abenteuer sehen. Dass sie wieder Lust auf Wörter kriegen, auch wenn die länger sind als ein Hashtag. Und ich wünsche mir, dass Buchhandlungen weiter so mutig bleiben. Aufkleber ab, Meinung an. Und dass Eltern, Schulen, Buchmenschen gemeinsam dafür sorgen, dass Lesen nicht als „lästige Schulübung“ gilt, sondern als Superkraft.
Heike: Schön gesagt.
Buch: Natürlich. Ich bin schließlich Literatur.
Heike: Zum Abschluss: Was würdest du den Leuten sagen, die schon lange kein Buch mehr gelesen haben?
Buch: Ich bin geduldig. Ich warte hier. Aber bitte, nimm mich bald in die Hand, bevor mich der Staub komplett in die Vergessenheit schickt. Und keine Angst: Ich beiße nicht. Außer vielleicht bei schlechten Buchstützen.
Also, ich weiß ja nicht, wie es euch geht, aber ich glaube, das Buch ist etwas frustriert. Verständlich, oder?
Wie ist das bei euch? Team Lesen oder Team Dekoobjekt?